88 Perspektivwechsel| HFF funktioniert, und nichts von dem hat, was man als ‚magic movie moment‘ begreift. Das kann nicht wahr sein, denkt man sich. Dabei habe ich mich so angestrengt, dass es nach was aus- sieht und was rüberbringt von dem, was ich mir vorgestellt habe. Heraus- zufinden, woran das liegt, den einen Moment zu kriegen, der etwas von Magie hat, das war der absolute Triumph.“ Dass die Bilder nicht so aussehen wie jene, die man im Kopf hat, ist natür- lich nur das eine. Das andere war, da- hinter zu kommen, warum das so ist: „Die Schwächen lagen meistens darin, dass man das Narrrative zu kurz kommen lassen und zu sehr auf’s Atmosphärische gesetzt hat. Man hat sich so sehr in einer poetischen Welt gefühlt, während man den Film ge- macht hat. Und dann war von dieser nichts mehr übrig. Eine bittere Er fahrung, dünne Story, kraftlose Bilder, keine schauspielerische Präsenz. Am Besten funktionierte es nach meiner Erfahrung, wenn man das Atmos phärische nicht in den Vordergrund stellte und sich fragte, was will ich eigentlich erzählen? Erzählt man einer Kinderschar eine Geschichte, merkt man ja auch sofort, wie ihre Aufmerksamkeit abschweift, sobald man nicht mehr gut erzählt. Es gab natürlich auch andere Beispiele wie Wenders, der das ganz anders gemacht und auf’s Atmosphärische gesetzt hat. Man hat gesehen, er hat ein gutes Gefühl für Musik und Bilder, aber das war halt nicht mein Ding. Ich wollte bei dem bleiben, was ich auf der Leinwand im Kino gesehen hatte.“ Es dauerte sieben Jahre, ehe Bernd Eichinger nach dem Verlassen der HFF das Gefühl hatte, auf eine Geschichte gestoßen zu sein, die erzählt werden musste, und die er so machen wollte, wie er sie beim Lesen vor sich gesehen hatte: „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. „Ich habe ja kein Sendungsbewusst- sein, aber bei ‚Christiane F.‘ gab es diese Faszination einer Welt, von der man nichts weiß, obwohl sie quasi vor unserer Haustür liegt: Kinder im Alter von zehn bis vierzehn, die auf harter Droge sind und sich prostitu ieren, auf diesem Bahnhof, wo jeden Tag Tausende ein- und ausgehen. Von dieser Zwischenwelt war ich so fasziniert, dass ich zeigen wollte, dass es das gibt. Und letztlich ist es so, dass ich mich nicht in etwas hinein- versetzen kann, was mich nicht selbst fasziniert. Ich habe nur ein halbwegs sicheres Gefühl, wenn ich weiß, wovon ich rede, oder zumindest Semester einen Film drehen, bekam etwas Bargeld, eine Kamera, Roh material, und lernte, wie man mit der Kamera umgeht, wie man belichtet, wie man den Schneidetisch bedient. Und weil das Geld knapp war, mussten die elf Kursteilnehmer reihum als Beleuchter, Kameramann, Darsteller oder Tonmann bei den Filmen der anderen mitarbeiten. So haben wir Film gelernt. Dass es da noch keine Unterscheidungen gab und jeder in allen Bereichen arbeiten musste, war ganz wesentlich. Und als ich die ersten Filme gemacht habe, habe ich mich immer gewundert, warum meine Bilder so vollkommen verschieden waren von den Filmen, die ich be wundert habe. Das ist ja eine ganz entscheidende Erfahrung: Dass man überhaupt erst merkt, was es bedeutet, die Kamera an den richtigen Punkt zu stellen oder das Licht richtig einzurichten, um diese Magie zwischen Licht und Schatten hinzukriegen, um dann zu erleben, wie die übertriebene Gestik eines Schauspielers bewirkt, dass die Magie sofort zerfällt. Als jugend licher, optimistischer Mensch, der glaubt, den Genius in sich zu tragen, denkt man ja anfangs, das könne nicht so schwer sein, ein weltberühmter Filmregisseur zu werden. Und dann merkt man, wie das überhaupt nicht denke, ich wüsste es. Wenn ich ‚Werner beinhart‘ nehme, dann weiß ich auch genau, wie ich das machen muss, weil ich darüber jahrelang gelacht habe. Ich kann es zwar nicht zeichnen, aber ich weiß, wo die besten Gags sind. Das wird deshalb sicher nicht jedes Mal ein gelungener Film, aber ich weiß hinterher wenigstens, warum ich ihn gemacht habe.“ Das sagt ein Mann, der nach der Filmhochschule schon einen Vertrag als Fernsehregisseur in der Tasche gehabt hatte, aber dann begriffen hat, dass er auf diesem Weg nie die Filme machen würde, die er eigentlich machen wollte, die Filme, die er an der Filmhochschule gelernt hatte zu lieben. Man muss gar nicht den ganzen Weg von „Der unendlichen Geschichte“ über den „Namen der Rose“, „Letzte Ausfahrt Brooklyn“, „Der bewegte Mann“, „Der Untergang“, „Das Parfum“ bis zum „Baader-Meinhof-Komplex“ nachzeichnen, um zu verstehen, dass diese Einstellung der wesentliche Impuls war, der seine Karriere be feuert hat. Und schon deswegen hat Eichinger ein quasi ganzheitliches Verständnis vom Produzentenberuf: „Heute muss man wählen, ob man zur Produktion will oder zur Regie. Das ist ein ganz großer Fehler, weil all das, was beim Produzieren so hoch eingeschätzt wird, fast nebenbei gelernt werden kann. Als Produzent muss man einen guten von einem weniger guten Stoff unterscheiden können, eine Vision mitbringen, stattdessen wird man jetzt als besserer Buchhalter ausge bildet. Auf diese Weise werden nur Gräben gezogen – hier die Produktion, die dauernd Geld sparen und nur den kommerziellen Erfolg will, dort der arme Regisseur – darum geht es doch gar nicht. Als Produzent ist man ja kein Herstellungsleiter, sondern jemand, der eine Vision kreativ um- setzt.“ Das ist vielleicht eine einfache Wahrheit, aber sie auch wirklich zu beherzigen, ist dann halt doch eine Kunst, auf die sich nur wenige ver stehen. Eichinger zumindest ist einer davon.