86 Perspektivwechsel| HFF geschichte ja noch nicht auf dieselbe Weise verfügbar wie heute. Es gab kein Video oder DVD und auch kein Filmmuseum. Es gab nur die Nacht- vorstellung bei Kuchenreuther, die gar nicht hoch genug einzuschätzen war, weil dort Hawks, Ford, Walsh und Hitchcock gezeigt wurde. Aber an der HFF gab es eben das Fach Film geschichte, wo von unserem Lehrer Helmut Färber die Filmgeschichte von den Stummfilmen Griffiths und Eisensteins weg aufgerollt wurde. Und seine Auswahl ruhte auf drei Säulen, Neorealismus, Nouvelle Vague und Hollywood, und darauf ist auch mein Filmgeschmack, -wissen und -streben aufgebaut. Man muss diese Filme sehen, um ein geschärftes Auge zu kriegen für Filme, die sich damals zwar hervorge- tan haben, aber dann dem Gedächtnis der Filmgeschichte entschlüpft sind. Als Laie konnte man vielleicht gerade noch Leones ‚Für eine Handvoll Dollar‘ von ‚Leichen pflastern seinen Weg‘ unterscheiden. Aber auf der HFF wurde man eben mit ganz anderen Filmen konfrontiert – das war die wichtigste Leistung der Filmhoch- schule.“ Das ist schon mal die erste wichtige Erkenntnis, dass man sich dem kreativen Teil des Filmemachens erst Bernd Eichinger muss man nicht vor- stellen. Er ist das Paradebeispiel des erfolgreichen Produzenten, über lange Zeit eine so singuläre Figur in der deutschen Filmlandschaft, dass man sich fragte, was er hat, was andere nicht haben. Natürlich gibt es darauf keine wirklich befriedigende Antwort, aber vielleicht hilft es ja, an die Anfänge seiner Karriere zurückzu- gehen und wenigstens die Grundlagen zu erforschen, also in die Jahre 1970 bis 73, als er an der HFF studierte. Was hat er zum Beispiel dort gelernt, was anders nicht zu haben war? „Man hat mir geholfen, einen guten von einem schlechten Film zu unter- scheiden, oder einen besseren von einem weniger guten. Das war sehr klug gemacht, indem uns viele Filme gezeigt wurden. Damals war die Film- Bernd Eichinger (rechts) Von Vision, Desillusion und dem Magic Movie Moment „Filme produzieren heißt Film verstehen“ Bernd Eichinger über die Anfänge seiner Karriere, von FAZ-Redakteur Michael Althen zuwenden kann, nachdem man Filme gesehen und verstanden hat. Eichinger gibt zu, dass man das heute auch auto didaktischer machen könne, weil die Filmgeschichte auf ganz andere Weise verfügbar ist, und man auch ohne An- leitung zu Schlüssen kommen könne, aber am Befund ändert das nichts: „Ich bin der Überzeugung, Filme produzieren heißt Film verstehen. Zu den großen Zeiten von MGM, als die Studiochefs noch Schrott- oder Pelzhändler waren, ging das vielleicht auch anders, da reichte ein Gefühl für’s Geschäft, auch wenn sie kein Verständnis für die einzelnen Filme hatten. Dafür haben sie sich dann halt Leute wie Irving Thalberg genommen.“ Filme sehen, Filme verstehen und wissen, wo man hin will, ist ja nur der eine Teil des Filmemachens, die Theorie, die dann in der Praxis auf die Probe gestellt wird. Und da musste Eichinger wie jeder Student die schmerzliche Erfahrung machen, dass es ein langer Weg ist vom Traum zu seiner Verwirklichung. „Man bekam die Aufgabe, sich über ein Treatment einer Geschichte zu nähern, mein Tutor für Dramaturgie war Reinhard Hauff. Aber das Wichtigste war natürlich die Probe auf’s Exempel. Man musste jedes