Die Definition der eigenen Haltung des Regisseurs – seine Weltanschauung – ist Voraussetzung für alle weiteren ästhetischen Entscheidungen, die erheblich klarer und konsequenter zu treffen sind, wenn die Haltung definiert ist. Erzählt der Film über Menschen, die keine andere Wahl haben oder über Menschen, die Möglichkeiten und Verantwortung haben? Will der Filmemacher die Kunst der Schön färberei oder der Schwarzmalerei be- treiben? Will er von der Trostlosigkeit oder von der Untröstlichkeit der Welt erzählen? Oder kann er formulieren, was den Unterschied ausmacht? Erschafft der Drehbuchautor nur Figuren, die heillos gefangen sind in ihren zwanghaften Mechanismen, oder gibt es auch Menschen im Drehbuch, die fähig sind, dazuzulernen? Diese Fragen zu klären, das ist Film- ausbildung. Die Haltung: „Zart und genau: das sind ästhetische Kategorien“, schrieb der Literat Kurt Marti. Jede Erzählung braucht den Erzähler, der sich der Erzählung nicht verweigert, sondern aus den tausend möglichen Blick winkeln eine persönliche, subjektive und auch emotionale Perspektive ein- nimmt, welcher der Zuschauer folgen kann. Auf jeden Fall ist das unser Anspruch an potenzielle Studierende. Die Einstellung des Erzählers zu seiner Geschichte generiert die Einstellungen im Film. Ich definiere gerne die Haupt- tätigkeit des Regisseurs zusammen fassend damit, dass er Entscheidungen zu treffen hat. Entscheiden kann nur jemand, der vorher auch unterscheiden gelernt hat. Um rasch und klar zu Entscheidungen zu kommen, braucht es ein waches, sensibles Sensorium: die eigene Wahrnehmung, die Unter- schiede – auch kleinste – registriert und in ihren Wirkungen abzuschätzen vermag. Mindestens genauso wichtig ist für den Regisseur aber sein eigener Kriterienkatalog, der aus seiner Haltung entspringt.