10 stellt Dekorpapiere her, die Holzmaserungen täuschend echt wiedergeben. Bevor auf riesigen Rollen das immer gleiche Muster in immer gleicher Intensität gedruckt werden kann, muss der Arbeiter die Farben anrühren, zusammenstellen und die Kombinationen finden und erkennen, die in Endlosschlaufe das immer gleiche Abbild einer Holzmaserung ergeben. Wie etwa beim Champagner der namhaften Hersteller, die immer gezwungen sind, eine Geschmacksidentität herzustellen. Die Simulation ist perfekt, die endlose Wiederholung der Ereignisse und Vorgänge – die Mechanik – produziert das immer gleiche Objekt. Die Perfektion mutiert von der handwerklichen Exzellenz, das Singuläre schaffen zu wollen, zur indefiniten Beständigkeit. Die Ästhetik des Maschinenbaus orientiert sich alleine an der Effizienz ihres Ausstoßes. Wolfgang Ruppert hält es für entscheidend, die Objekt geschichte offener und losgelöst von zu engen Begrifflich- keiten rund um das Artefakt zu sehen. In seinem »Plädoyer für den Begriff der industriellen Massenkultur« verweist er auf die veränderte Wahrnehmung seit den 1980er-Jahren und auf eine neue Aufgeschlossenheit der visuellen Rezeption der Objekt- welt gegenüber.2 Die Ästhetik des Seriellen hat seitdem jede Grenze geradezu spielerisch übersprungen. Die perfekte Reali tät, eine fehlerlose Welt, die die Maschinen in den Fertigungs hallen durch immer gleiche Produktionsprozesse mit ihren sich beständig wiederholenden Geräuschen vorspielen, zeigt – in vielleicht bedrückender – Weise, dass seit Fritz Langs Metropolis aus dem Jahre 1927 ästhetisch kaum Zeit vergan- gen ist. Wohl hat der Beginn des Zeitalters technischer Re- produzierbarkeit unser Bewusstsein grundlegend verändert. Wir aber sind der Faszination des immer Gleichen erlegen und suchen beseelt nach dem Singulären, dem Fehler, dort, wo das Makellose das Maß aller Dinge ist. Made in Germany ist Anachronismus und Zeitgeist glei- chermaßen. Zwar werden vereinzelt Warften quasi in Hand- arbeit aufgeschüttet, doch die schöne neue Warenwelt des 21. Jahrhunderts liegt »Land unter«, umspült vom Weltmeer der Börsenkurse. Und deshalb sehnt man sich nach einem Orientierungspunkt, etwa der »guten Form« als substanziellem Wegweiser zum Nicht-Ort: Utopia. 1 Rainer Metzger, »Musterboden – Über die Logik des Labels ›Made in Germany‹ in der Kunst der Gegenwart«, in: Made in Germany, Ausst.-Kat. kestnergesellschaft, Hannover, Kunstverein Hannover, Sprengel Museum Hannover, Ostfildern 2007, S. 30–34, hier 33. 2 Wolfgang Ruppert, »Plädoyer für den Begriff der industriellen Mas senkultur«, in: ders. (Hrsg.), Lebensgeschichten. Zur deutschen Sozial geschichte 1850–1950, Opladen 1980, S. 153.