Categories: Allgemein | Posted by: Philine
„Rednerinnen-Profil Philine von Sell“
Sie ist vielfach ausgezeichnete Regisseurin und Fotografin, ehemalige Professorin, Produzentin und Gründerin der Circle of Values Communication GmbH und sie initiierte eine Begabtenförderung in den Townships von Südafrika. Philine von Sell verkörpert als Expertin für nachhaltige Unternehmenskommunikation, mit ihrem Handeln als Unternehmerin sowie mit ihrem sozialen Engagement Integrität und Glaubwürdigkeit. Wir sprachen mit ihr über Werte, Nachhaltigkeit und Authentizität in der Unternehmenskommunikation.
WOMEN SPEAKER FOUNDATION: In welchem Verhältnis stehen für Sie die Themen Diversity und Nachhaltigkeit?
Philine von Sell: Ich glaube, dass ein Unternehmen nachhaltiger, langfristiger gesund bestehen kann, wenn es alle Facetten integriert, die wir nun einmal auf dieser Welt haben, wenn beide, Männer und Frauen, mit ihren unterschiedlichen Begabungen und Perspektiven wirken dürfen – davon bin ich fest überzeugt. Nicht, dass es besser wäre oder politisch korrekter oder weil sich das so gehört, sondern weil es vollständiger ist und weil es mehr Power hat.
WOMEN SPEAKER FOUNDATION: Wie war das für Sie damals am Anfang Ihrer Karriere in Hamburg?
Philine von Sell: Ich habe in den 80er Jahren angefangen zu arbeiten, da war ich weit und breit die einzige deutsche Regisseurin mit eigener Filmproduktion, die Werbespots und Imagefilme produzierte und konzipierte. Mit 20 war das eine Melange aus jung sein und Unvoreingenommenheit. Dass ich eine Frau bin, war nie ein Problem. Damals stand das für mich gar nicht zur Debatte. Das habe ich heute bewusster auf der Agenda. Ich bin jetzt erfahren, habe unheimlich viel gemacht und erlebt und bin sehr sattelfest in meinem Thema. Bei mir geht es jetzt um große, ernsthafte Aufgaben, die ich übernehme, und da ist man natürlich mit seinem Gegenüber in den Unternehmen auf einer anderen Ebene als vor 20 oder 30 Jahren.
WOMEN SPEAKER FOUNDATION: Denken Sie, die Männer fühlen sich jetzt verunsichert?
Philine von Sell: Ich sehe keinen Grund für Verunsicherung. Es geht um Ausgewogenheit und das schafft Sicherheit. Die Männer wissen nicht, wie sich das anfühlt in einer reinen Frauenwelt zu arbeiten, aber ich weiß, wie sich das anfühlt in einer reinen Männerwelt zu arbeiten. Man ist eben meistens allein oder in einer sehr starken Minderheit, da fühlt man sich nie so sicher wie im „Rudel“. Ich habe zum Beispiel mal an einem Pitch für ein hoch budgetiertes Filmprojekt eines DAX-Unternehmen teilgenommen und mit meinem Exposé den Zuschlag bekommen. Als ich dann zum ersten Mal zum Kunden kam, saßen zwölf Herren an einem Konferenztisch, blieben sitzen und der Vorsitzende meinte: „Ach, wir dachten Herr Hofmann kommt persönlich – das hätte man ja bei diesem Budget schon erwarten können.“, Hofmann, das war mein Mädchenname. Oder: Meine Mitarbeiterin und ich nahmen unseren ersten großen Filmpreis in Herrenanzüge entgegen, weil der Dresscode keine Damen vorsah. Solche Geschichten gibt es noch viele!
WOMEN SPEAKER FOUNDATION: Haben Sie das Gefühl, dass Frauen andere Spielregeln untereinander haben?
Philine von Sell: Das kann ich nicht beurteilen, weil ich die Erfahrung in der Hierarchie eines Unternehmens nie gemacht habe. Ich treffe immer tolle Männer und tolle Frauen, überall – ganz unabhängig von Ebene, Land oder Milieu.
WOMEN SPEAKER FOUNDATION: Ihre Themen sind Ethik, Authentizität, Glaubwürdigkeit und Vertrauen in der Unternehmenskommunikation …
Philine von Sell: Ich glaube, dass Frauen sehr gute Kommunikatoren sind, historisch, anthropologisch, weltweit. Authentisch zu kommunizieren liegt Frauen näher als Männern. Auch den Satz „Schatz, lass uns mal reden“ wird man eher von einer Frau hören, sie sind es, die das Gespräch suchen. Sie sind historisch betrachtet diejenigen, die den Hausfrieden aufrecht hielten und sich mit den Nachbarn gut verstehen mussten. Das kann man auch auf Unternehmen übertragen, auf interne und externe Kommunikation. Ich sorge dafür, dass ein Unternehmen in der Gesellschaft gut dasteht, wahrgenommen wird, gute Nachbarn hat, dass man ihm wohlgesonnen ist und es eine gute Akzeptanz hat.
WOMEN SPEAKER FOUNDATION: Wohin hat sich die Unternehmenskommunikation entwickelt seit Social Media „zum guten Ton“ dazu gehören?
Philine von Sell: Weil es so ist, dass jetzt über Social Media etwas zurück kommt und Kunde und Unternehmen in den Dialog treten dürfen, sind die Dinge sehr komplex geworden. Wie Sie handeln als Unternehmen, was Sie behaupten, das hat unmittelbare Konsequenzen – ob das die Compliance betrifft, Transparenz oder auch ganz besonders den Umgang miteinander. Das ist nicht mehr mit einer „Ansage von Oben“ zu regeln oder einheitlich zu steuern. Wenn Aussagen nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen, nicht wahrhaftig sind, fällt das auf Sie zurück – früher oder später. Und wenn Sie Ihren Mitarbeitern nicht das Vertrauen geben, aus ihrer Sicht angemessen zu kommunizieren – täglich und auf jedem Kanal, intern wie extern – dann ist das Sand im Getriebe und richtet Schaden an. Das ist unsere Positionierung: Wir achten darauf, möglichst authentisch und angemessen, mit dem, was ein Unternehmen wahrhaftig tut, umzugehen, damit alle möglichst ruhig schlafen können.
WOMEN SPEAKER FOUNDATION: Authentizität hat einen höheren Stellenwert bekommen?
Philine von Sell: Ja, aber im Moment finden wir noch branchenübergreifend fast die gleiche Bildsprache in allen Unternehmen, für die interne Kommunikation oder beispielsweise auch im Talent Recruiting. Das hat oft nicht die DNA des existentiell Wichtigen, es hat wenig Substanz und ist nicht Ausdruck der eigenen Unternehmenskultur. Authentizität ist kein Stilmittel oder Trend, den man sich wie einen Mantel einfach umhängt. Den meisten Unternehmen ist es gar nicht bewusst wie unauthentisch sie kommunizieren und wie viel Energie und Potenzial sie damit verschwenden, weil es zur Angewohnheit geworden ist sich zu verstellen – anstelle zu vertrauen. Es ist immer ein Prozess sich alte Gewohnheiten abzugewöhnen, aber es weckt ungeahnte Kräfte, inspiriert und man kann es lernen authentisch zu kommunizieren – wie schwimmen.
WOMEN SPEAKER FOUNDATION: Wie kann ein Unternehmen die eigenen Werte beispielsweise im Talent Recruiting manifestieren?
Philine von Sell: Indem es seine Haltung und Werte klar und unverstellt zum Ausdruck bringt und dafür sorgt, dass sie mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Der Nachwuchs stellt sich die Frage „Wo arbeite ich als Mensch?“, oder „Wo kann ich mit Freude meine beste Performance geben?“ Arbeitswelt und privates Dasein dürfen sich nicht in verschiedene Rollen aufspalten. Die Korrumpierbarkeit, dass du nicht nach deinen eigenen Werten lebst, kommt oft mit dem Erwachsenwerden, mit dem finanziellen und gesellschaftlichem Druck. Es scheint gesellschaftsfähig zu sein, zu sagen, in dieser Rolle habe ich einen Maßstab und zuhause einen anderen, obwohl alle wissen, was sich gehört und was nicht. Das macht krank! Es geht darum, dass die Menschen als Ganzes integer bleiben können. Diesen Raum und das Vertrauen müssen die Unternehmen entwickeln. Das ist der evolutionäre Gedanke – dahin entwickeln sich die Dinge. Die Zeit ist reif dafür und der Nachwuchs erwartet das.
WOMEN SPEAKER FOUNDATION: Die Entwicklung der eigenen Unternehmenskultur, Integrität, guter Umgang miteinander, Corporate Social Responsibility (CSR) – sind das Werte, die man sich als Unternehmen leisten können muss?
Philine von Sell: Es ist kein Luxus, das wird heute von Unternehmen erwartet. Diesen Themen wird eine immer größere Beachtung geschenkt. Hier entstehen neue und unabhängige Verantwortungsbereiche und Budgets. Die Kommunikation dafür muss sich bewusst von der Werbung abgrenzen, da es um Glaubwürdigkeit mit kulturübergreifenden Inhalten geht – oft im globalen Kontext. An dieser Stelle wird es für Unternehmen immer existentieller, werteorientiert und transparent und vor allem authentisch zu kommunizieren.
WOMEN SPEAKER FOUNDATION: Vielen Dank für dieses Interview, Frau von Sell.
Weiter zum Rednerinnen Profil von Philine von Sell.
„Rednerinnen-Profil Philine von Sell“
Read more